Frau liegt seitlich im Bett und hat Rückenschmerzen
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Ruhen ist kontraproduktiv

Bettruhe bei Rückenschmerzen? Bloß nicht!

Von: Kathrin Sommer (Medizinautorin)
Letzte Aktualisierung: 03.02.2020

"Mir tut der Rücken weh, ich muss ins Bett." Diese Reaktion auf Rückenschmerzen ist zwar falsch, wird aber Studien zufolge viel zu oft angewandt - und auch von den behandelnden Ärzten unterstützt.

Schmerzt der Rücken, ist der erste Impuls vieler Betroffener, sich ins Bett zu legen und körperlich zu schonen. Das ist zwar verständlich, aber oft die falsche Therapie. Im Gegenteil: Bettruhe führt nicht selten zu einem Teufelskreis aus Schmerz, Schonung und neuem Schmerz. Der Grund dafür liegt in der Ursache, die den Rückenschmerzen zugrunde liegt. In den meisten Fällen gehen Rückenschmerzen nämlich auf muskuläre Verspannungen zurück. Diese entstehen beispielsweise durch dauerhafte Fehl- und Überlastung, etwa bei sitzender oder stehender Tätigkeit im Beruf mit gekrümmtem Rücken.

Eine Schonhaltung kann die akuten Beschwerden oft vorübergehend lindern. Allerdings werden bis dahin noch nicht verspannte und nicht schmerzende Muskelgruppen durch die Schonhaltung nach einer Weile überbeansprucht, so dass weitere schmerzhafte Verspannungen im Rücken entstehen. Letztlich werden – entgegen der ursprünglichen Absicht – die Rückenschmerzen durch die Schonhaltung noch verstärkt.

Leitlinien raten von Bettruhe ab

Die von den Wissenschaftlich Medizinischen Fachgesellschaften erstellten Leitlinien zur Therapie von Rückenschmerzen sehen vor, dass Betroffene, bei denen schwerwiegende Erkrankungen als Ursache ausgeschlossen werden können, zur körperlichen Aktivität ermuntert werden sollen. Durch vorsichtiges, aber konsequentes Bewegen, etwa in Form gezielter Krankengymnastik, werden die verspannten Muskeln gelockert. Bei Bedarf können die Patienten Schmerzmittel einnehmen, bei wiederkehrenden Rückenschmerzen werden ihnen zudem passive Physiotherapie und Rückenschule als Ergänzung empfohlen. Von Bettruhe hingegen raten die Leitlinien eher ab.

Bettruhe und passive Therapie werden allzu oft verschrieben

Entgegen diesen Empfehlungen der Leitlinien werden in Deutschland bei Rückenschmerzen nach wie vor allzu oft Bettruhe und passive Therapien verschrieben, wie eine Studie von Wissenschaftlern der Universitätsklinik Heidelberg zeigt. In der Untersuchung wurden 630 Patienten im Alter zwischen 16 und 86 Jahren aus insgesamt 225 orthopädischen Praxen zu ihren Rückenschmerzen und der medizinischen Betreuung befragt. Bei allen waren zuvor schwerwiegende Erkrankungen wie Bandscheibenvorfall, Unfall oder eine Krebserkrankung als Ursache für die Rückenschmerzen ausgeschlossen worden.

Fast jedem zehnten Teilnehmer wurden Ruhe oder sogar Bettruhe verordnet. Nahezu die Hälfte der Befragten (47 Prozent) erhielt Physiotherapie. Dabei handelte es sich allerdings in vielen Fällen nicht um aktive Krankengymnastik, sondern um passive Maßnahmen wie Wärme-/Kälteanwendungen, Massage und Elektrotherapie sowie von ärztlicher Seite Spritzen und Schmerztabletten, die nicht mit der Aufforderung zu aktiver Bewegung verbunden waren. Je länger die Rückenschmerzen andauerten beziehungsweise je öfter sie wiederkehrten, desto häufiger wurden passive Therapien verschrieben - in den höheren Chronifizierungsstadien der Krankheit bei jeweils mehr als einem Drittel der Patienten.

Subjektiv zufrieden – objektiv keine Besserung der Schmerzen

Subjektiv waren die Studienteilnehmer mit den passiven Therapien zufrieden. Acht von zehn Patienten stuften demnach Ruhe und Bettruhe als wirksamste Behandlung ein. Auch die passiven Physiotherapiemaßnahmen und die Verordnung von Spritzen kamen bei den Befragten gut an. Objektiv bewirkten die passiven Therapien in dem sechsmonatigen Beobachtungszeitraum jedoch wenig. Lediglich bei einem Drittel der Teilnehmer gingen die Rückenschmerzen in ein niedrigeres Chronifizierungsstadium über. Bei mehr als der Hälfte der Patienten besserten sich die chronischen Rückenschmerzen überhaupt nicht, bei etwa jedem Zehnten verschlechterten sie sich sogar.

Als Konsequenz ihrer Ergebnisse fordern die Studienautoren intensive Fortbildungsmaßnahmen für Allgemeinmediziner, Fachärzte und Therapeuten sowie die verstärkte Einrichtung interdisziplinärer Zentren für die Behandlung von chronischen Rückenschmerzen. Darüber hinaus solle die Bevölkerung besser über die Ursachen von Rückenschmerzen und den möglichst aktiven Umgang damit aufgeklärt werden.