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Sitzen, Sport, Matratze, Bandscheiben

Die hartnäckigsten Mythen rund um Rückenschmerz

Von: Sarah Baumann (Medizinredakteurin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 10.02.2020

Die richtige Matratze verhindert Rückenschmerzen, Bettruhe tut dem Rücken gut und wer sportelt, ist vor Kreuzschmerzen gefeit? Wir haben die Antwort, was Wahrheit und was gelogen ist im Dickicht der Rückenschmerz-Mythen.

Rückenschmerzen sind die häufigste Volkskrankheit der Deutschen. Vielleicht kursieren deshalb so viele Halbwahrheiten und Gerüchte rund um das "Rücken haben". Wir klären besonders gängige und hartnäckige Rücken-Mythen auf:

Mythos 1: "Männer und Frauen haben gleich häufig Rückenschmerzen"

Falsch! Frauen leiden deutlich häufiger an akuten Rückenschmerzen, die sie außerdem als intensiver beschreiben. Einen Unterschied gibt es außerdem, was den Ort des Schmerzes angeht: Während Frauen häufiger an Nacken- und Schulterschmerzen leiden, beklagen sich Männer öfter über Kreuzschmerzen, also Rückenschmerz im Bereich der Lendenwirbel.

Mythos 2: "Kälte kann Rückenschmerzen auslösen"

Eher nein. An den meisten Rückenbeschwerden, die im Winter schlimmer werden, ist Bewegungsmangel schuld - einfach, weil in den kalten Monaten die Couch für viele zu verlockend scheint. Ausnahme ist etwa ein "Zug" im Nacken, zum Beispiel durch leichtsinniges Cabriofahren.

Mythos 3: "Rückenschmerzen kommen vom aufrechten Gang"

Stimmt teilweise. Durch das Aufrichten auf zwei Beine im Lauf de Evolution ist unsere Wirbelsäule anfälliger geworden, zum Beispiel für Bandscheibenvorfälle. Aber auch unser Lebensstil spielt eine große Rolle.

Mythos 4: "Rückenschmerzen hängen mit der Psyche zusammen"

Richtig! In beiden Richtungen besteht ein Zusammenhang zwischen der Seele und unserem Rücken: Einerseits schlagen sich chronische Rückenbeschwerden in Depressionen nieder, andererseits andauernder Stress und Überbelastung können zu Verspannungen und damit Rückenschmerzen führen.

Mythos 5: "In der Schwangerschaft ist der dicke Bauch ein Rückenschmerz-Garant"

Jein. Je fortgeschrittener die Schwangerschaft, desto mehr versuchen werdende Mütter, das wachsende Gewicht von Bauch und Brüsten mit einem Hohlkreuz abzufedern. An Rückenschmerzen in der Schwangerschaft können aber auch die Psyche, Gebärmutterkontraktionen und Bewegungsmangel schuld sein.

Mythos 6: "Wer viel sitzt, bekommt Rückenschmerzen"

Das stimmt so nicht. Nicht jeder, der beispielsweise aus beruflichen Gründen viel sitzt, entwickelt automatisch Rückenschmerzen. Allerdings sollten Sie bei einer Tätigkeit im Sitzen für einen körperlichen Ausgleich vor und nach der Arbeit sorgen. Während der Arbeit tun kleine Bewegungspausen gut. Denn das größte Problem langen Sitzens ist die Bewegungsarmut, die damit einhergeht und die Rückenmuskulatur auf Dauer schwächt.

 

Mythos 7:"Gerades Sitzen schützt vor Rückenschmerz"

Wer sich bemüht, ständig völlig gerade zu sitzen, fördert Rückenschmerzen eher, als dass er ihnen vorbeugt. Denn ständiges Aufgerichtetsein ist auf Dauer anstrengend und belastet den Rücken. Schmerzhafte Verspannungen der Rückenmuskulatur können die Folge sein. Besser ist es, die Sitzposition immer wieder zu wechseln: Also auch mal auf dem Sitz nach vorne rücken, sich zurücklehnen, den Rücken gerade machen, sich zusammensinken lassen, sich strecken – wichtig ist, dass Sie nicht lange Zeit starr in einer Haltung verbringen.

Mythos 8:"Sport schützt vor Rückenschmerzen"

Das stimmt nur teilweise. Eine kräftige Rückenmuskulatur schützt vor Rückenschmerz, und diese lässt sich durch Sport aufbauen. Dabei kommt es aber auf die Sportart und die Ausführung an: Sportarten, bei denen es wiederholt zu Überstreckungen der Wirbelsäule kommt wie beispielsweise Tennis oder die mit schnellen Drehbewegungen des Rumpfes verbunden sind wie zum Beispiel Golf, können dem Rücken schaden. Schwimmen wird allgemein als rückengesunde Sportart angesehen. Aber das gilt eigentlich nur für Rückenschwimmen und Kraulen, nicht jedoch für Brustschwimmen, den häufigsten Schwimmstil: Dabei wird ein Hohlkreuz gebildet und die Wirbelsäule überdehnt.

Mythos 9:"Rückenschmerzen sind eine Alterserscheinung"

Falsch. Zwar können Rückenschmerzen auf altersbedingten Verschleiß zurückgehen. Aufgrund der veränderten Lebensweise, die sich vor allem durch Bewegungsarmut auszeichnet, klagen zunehmend auch junge Menschen über Rückenprobleme. Rückenschmerzen sind daher keine reine Alterserscheinung.

Mythos 10:"Gegen Rückenschmerzen hilft Schonen"

Ganz im Gegenteil, Bewegung ist angesagt. Denn Bewegungsmangel und eine dadurch schwache Stützmuskulatur sowie Verspannungen gehören zu den Hauptursachen für Rückenschmerzen. Regelmäßige, in Schmerzsituationen vorsichtige Bewegung, etwa in Form von Spaziergängen oder Krankengymnastik, trägt dazu bei, die Muskeln zu lockern, und bewirkt langfristig eine Kräftigung der Muskulatur.

Mythos 11: "Einmal Rückenschmerz, immer Rückenschmerz"

Falsch. Die meisten akuten Rückenschmerzen verschwinden von alleine wieder, oft helfen einfache Maßnahmen wie mehr Bewegung und kleine Sportpausen im Büro.

Mythos 12:"An Rückenschmerzen sind meistens die Bandscheiben Schuld"

Tatsächlich sind Bandscheiben laut AOK-Bundesverband bei weniger als 20 Prozent der Rückenbeschwerden im Spiel. Vielmehr gehen Rückenschmerzen in den allermeisten Fällen von Verspannungen, einer schwachen Rückenmuskulatur und verkürzten, unelastischen Bändern oder Probleme mit den Wirbelgelenken aus. Diese wiederum werden durch Bewegungsmangel, einseitige oder falsche Bewegung hervorgerufen.

Mythos 13:"Bei Rückenschmerzen muss man röntgen"

Röntgen ist bei Rückenschmerzen meist nicht notwendig, obwohl viele Betroffene dies erwarten. Die nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz sieht keine bildgebenden Verfahren wie Röntgen vor, wenn gefährliche Verläufe durch die ärztliche Untersuchung ausgeschlossen wurden. Erst wenn nach mehrwöchiger Behandlung keine Besserung eintritt, wird die "bildgebende Diagnostik" empfohlen.

Mit gutem Grund: Muskelverspannungen, die Hauptursache von Rückenschmerzen, lassen sich auf dem Röntgenbild gar nicht erkennen. Degenerative Veränderungen an Bandscheiben und Wirbeln sind zwar auf dem Röntgenbild erkennbar, stehen aber nicht zwangsläufig in Zusammenhang mit Rückenschmerzen. Denn viele Menschen mit diesen Verschleißerscheinungen haben keine Beschwerden.

Mythos 14:"Gegen Rückenschmerzen hilft eine harte Matratze"

Das Gegenteil ist der Fall. Es kommt vielmehr auf den richtigen Härtegrad der Matratze an: Die ausgeprägten Körperpartien müssen etwas absinken können, damit die Wirbelsäule optimal gestützt und entlastet wird. Ist die Matratze zu hart, kann dies zu Verspannungen der Rückenmuskulatur führen und vorhandene Beschwerden noch verschlimmern. Umfassend informiert bei Rückenschmerzen

Ein einfacher Test sagt Ihnen, ob die Matratze den richtigen Härtegrad hat: Legen Sie sich auf dem Rücken auf die Matratze und schieben Sie die Hand zwischen Matratze und Kreuz. Den richtigen Härtegrad hat die Matratze, wenn die Hand leicht durchrutschen kann und dabei sowohl Kreuz als auch Matratze leicht berührt. Eine zu große Lücke zwischen Rückgrat und Unterlage weist dagegen auf eine zu harte Matratze hin, ein zu kleiner Zwischenraum auf eine zu weiche.

Mythos 15:"Wer Rückenprobleme hat, braucht eine Spezialmatratze"

Das sieht die Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) anders: "Es ist nicht notwendig, viel Geld für eine Spezialmatratze auszugeben, da die normalen Matratzen ausreichende Qualität besitzen", heißt es in der DEGAM-Patienteninformation zu Kreuzschmerzen. Mehr über rückengesundes Schlafen lesen Sie hier.

Mythos 16:"Bei Rückenschmerzen durch Bandscheibenvorfall muss operiert werden"

Diese Meinung ist immer noch verbreitet, hat jedoch wenig mit der Realität zu tun. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) hält in seinem "Merkblatt Bandscheibenvorfall und Kreuzschmerzen" eine Operation nur dann für angezeigt, "wenn ein Bandscheibenvorfall zum Notfall wird: Zum Beispiel wenn die Nerven so stark beeinträchtigt sind, dass die Blase oder der Darm nicht mehr richtig funktionieren oder bestimmte Muskeln sehr geschwächt sind. Dies passiert aber nur selten."

Beschwerden durch einenBandscheibenvorfall würden in den allermeisten Fällen auch ohne Behandlung wieder abklingen, heißt es in dem Merkblatt. Bis dahin könnten verschiedene schmerzlindernde Behandlungen helfen, mit den Beschwerden zurechtzukommen.

Die Liste der Rückenschmerz-Mythen ließe sich noch um einiges ergänzen. Sie zeigt vor allem eines: Glauben Sie, was Rückenschmerzen angeht, nicht jedem (gutgemeinten) Rat aus dem Freundes- und Bekanntenkreis!